Geburtshelfer von Grobi und Rabe Rudi

Füchtorf besitzt außer Spargel einen weiteren Exportschlager: Norman Schneider aus dem Golddorf macht weltweit eine gute Figur. Als Spargeldorf hat sich Füchtorf weit über seine Grenzen hinaus einen Namen gemacht. Weniger bekannt ist, dass in dem kleinen Ort ein Figurenbildner wirkt, dessen Werke mindestens ebenso berühmt sind, wie das edle Bleichgemüse.

Wer die Werkstatt von Norman Schneider, der auch unter dem Künstlernamen „der Figurenschneider“ bekannt ist, betritt, dem fällt unweigerlich eine Vitrine mit allerlei gruseligen, schrulligen, aber auch liebenswürdigen Wesen auf, die dort fein säuberlich in Reihe und Glied nebeneinander wohnen. Schnell ist der Betrachter fasziniert von den Figuren, die auf ihren Auftritt zu warten scheinen. Schneider nimmt eine Klappmaulfigur in die Hand, streift sie über seinen Arm und haucht ihr mit zwei kleinen Metallstäben, mit denen er das Maul und die Augen der Figur bewegen kann, Leben ein. Bekannt sind diese Art von Figuren unter anderem durch Sascha Grammel, der bereits in der Region zahlreiche Auftritte hatte. Doch Schneiders Gestalten sind anders. Seine Figuren bestehen im Grundgerüst aus Schaumstoff, überzogen mit Fleecestoff. Handbemalt und mit selbst gebauten Kunststoffaugen versehen, werden Schneiders Kreaturen lebendig.

Seine Liebe zu den außergewöhnlichen Wesen entdeckte der gebürtige Hesse bereits im frühen Kindesalter. Als er fünf Jahre alt war, hatte es ihm vor allem der Samson aus der Sesamstraße angetan. „Ich wollte wissen, wie diese Figuren funktionieren“, sagt er. Es sollte nicht lange dauern, und der noch junge Norman werkelte vor sich hin, und die ersten Puppen entstanden. Dann wollte er unbedingt Puppenspieler werden. „Da haben meine Eltern interveniert.“ So trug es sich zu, dass er sich aufmachte, das Tischlerhandwerk zu erlernen. Kurz vor dem Gesellenbrief machte er sich auf den Weg zum Arbeitsamt, um nun doch eine Stelle als Puppenspieler zu finden. „Die waren hoffnungslos überfordert, haben sich aber redlich Mühe gegeben und mir zahlreiche Adressen herausgesucht.“

Der Aufwand hat sich gelohnt und ein Volontariat bei der renommierten Niekamps Theater Company in Bielefeld bot sich an. Schauspiel- und Gesangsunterricht sollten folgen. Acht Jahre stand er fast täglich auf der Bühne, bis ihm das Theater zu viel wurde. Während seines aktiven Theaterspiels hatte Norman Schneider immer wieder Spielpuppen repariert und dabei eine ganze Menge über den Aufbau und das Material gelernt, sagt er. „Doch nach dem Theater brauchte ich erst einmal eine Zeit ohne Puppen.“ Norman Schneider verdingte sich für ein Jahr im Einzelhandel.

Von den Figuren konnte er dennoch nicht lassen und beschäftigte sich mit den verschiedenen Möglichkeiten des Puppenbaus. Ein Praktikum bei Peter Röder ließ schließlich alte Kindheitserinnerungen wieder wach werden. Röder war der Erste, der dem knuddeligen Samson aus der Sesamstraße Leben einhauchte. „Bei ihm habe ich unheimlich viel gelernt.“ Röder gab ihm den Rat, sich selbstständig zu machen. Das war vor 19 Jahren. „Ich habe mir ein halbes Jahr Zeit gegeben“, sagt Schneider, „und das hält immer noch an.“

In einem Anfall von „Größenwahn“, gesteht der 51-Jährige, bewarb er sich dann bei der Jim Henson Company in New York, in dessen Werkstatt die Figuren der Muppet Show entstehen. Und plötzlich stand Norman Schneider auf der ganz großen Bühne, beziehungsweise in der zugehörigen Werkstatt. Sein Angebot, für drei Monate als Freelancer in der berühmten Werkstatt mitzuarbeiten, kam da einem Ritterschlag gleich. „Grobi und ein paar Allzweck-Muppets habe ich dort gebaut.“ Auch das Filmset durfte der Künstler in Augenschein nehmen, dessen gigantischer Aufbau faszinierte. „Es war eine wunderschöne Zeit, in der ich viel gelernt habe. Ich habe jedoch gemerkt, dass ich lieber mein eigenes Ding machen möchte.“

Zurück in Deutschland heuerte er bei der deutschen Sesamstraße an und ehe er sich versah, tummelte er sich in der Szene zwischen Blaubär und Krümelmonster – und zwar nicht nur als Puppenbildner, sondern ebenso als Puppenspieler. Während dieser Zeit entstehen unter anderem Rabe Rudi für die ZDF-Kinderserie „Siebenstein“ oder Kater Kurt für die ORF-Produktion „Okidoki“.

Schneider zeichnet, näht, klebt, malt und modelliert Monster, Kobolde, Porträtfiguren und schließlich sogar vier Meter große Eisbären. „Die waren für Atze Schröder und eine echte Herausforderung“, sagt Schneider nicht ohne Stolz. Denn die riesigen Bären mussten innerhalb von zwei Wochen fertig sein. Gut erinnern kann sich der Künstler an die Zeit, als die Fernsehsender rbb, MDR und KiKA beschlossen, die Sandmännchensendungen neu aufzulegen. Für die Pittiplatsch-Geschichten erhielt Schneider den Auftrag, die nicht mehr vorhandenen Figuren neu zu gestalten. Ein Jahr dauerte es, bis Schneider den Hund Moppi, die Ente Schnatterinchen und den kleinen Kobold Pittiplatsch neu erschaffen hatte. Für diese Produktion des neuen Sandmännchens gab es 2023 sogar den Grimme-Preis.

Fertigt er in der Regel 60 bis 80 Figuren im Jahr, flatterte schließlich eine Anfrage aus dem Wüstenland Katar am Persischen Golf für 80 Figuren rein. Die Figuren kamen in dem arabischen Land bestens an und kleine Action-Figuren wurden als Merchandising-Artikel in den Geschäften verkauft.

Aktuell arbeitet Norman Schneider an einem großen freien Projekt. 50 Beteiligte aus der Branche, vom Synchronsprecher über Bühnen- und Maskenbildner bis hin zu Puppenspielern, realisieren gerade das Märchen „Die fantastischen Geschichten des Professor Kluck“, das Christian Confer und Jana Mersch, bekannt als Duo „Kluck Kola“ ersonnen haben. Norman Schneider wird für dieses Projekt allein zwölf Figuren herstellen. Ende 2025 soll der Kinofilm im Filmtheater Scala in Warendorf gezeigt werden. Gedreht wird dafür auch an Warendorfer Schauplätzen.

Norman Schneider
www.figurenschneider.de
www.facebook.com/Figurenschneider

Text und Fotos: Andreas Poschmann


Mit der Kettensäge auf dem Holzweg

Stolz reckt sich die Milter Mühle gegen den stahl­blauen Himmel. Ein ruhiger Ort, mitten in einem kleinen Industriegebiet. Am Himmel kreisen ein paar Krähen. Fast scheint es, als würden sie ihre hölzernen Artgenossen beobachten, die es sich vor der heute flügellosen Mühle auf schrägen Sitzmöbeln gemütlich gemacht haben. Der Bielefelder Klaus Seliger hat vor bald vier Jahren hier seine künstlerische Heimat gefunden. Mit ihm eingezogen sind auch zahlreiche seiner skulpturalen Werke.

Wenn Klaus Seliger an seinen Kunstwerken arbeitet, dann fliegen im wahrsten Sinn des Wortes die Späne, kreischt die Kettensäge, die sich trotz ihres martialischen Auftritts filigran durch riesige Baumstämme fräst. Dann ist es mit der Ruhe im beschaulichen Warendorfer Stadtteil vorbei. Schaut man sich die Kunstwerke, die bei solchen Sägeattacken entstehen, schließlich an, bekommt die Redewendung „aus besonderem Holz geschnitzt sein“ eine ganz neue Bedeutung.

Klaus Seliger, im Februar 1962 in Paderborn geboren, hat zunächst andere berufliche Pläne. Er studiert visuelle Kommunikation und Grafikdesign an der Fachhochschule Bielefeld. „Das war aber nicht mehr meins, als die ersten Computer aufkamen.“ In einer Tischlerausbildung sieht er eine Chance, seinem handwerklichen Schaffensdrang besser nachgehen zu können. Im Laufe der Zeit bemerkt er jedoch, dass ihn die Vorgaben im Tischlerhandwerk und insbesondere im Möbelbau in ein zu enges Korsett zwängen.

Unzufrieden mit dem starren Angestelltendasein kommt die Initialzündung vor 20 Jahren. Seliger entdeckt im Überseemuseum in Bremen die Werke des israelischen Künstlers Natanel Gluska. Fasziniert ist Seliger vor allem von einem barocken Sessel, den Gluska aus einem Stück Ulmenholz geschnitzt hat. „Der Sessel ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Da ich keine Kamera dabeihatte, habe ich das Ding einfach abgezeichnet. Es hat erst Jahre später gezündet, als ich unzufrieden war mit meinem Job. Durch eine Gärtnerkollegin bekam ich die erste Kettensäge in die Hand.“

Inspiriert von seinem Vorbild Gluska entstehen erste künstlerische Skulpturen, schräge, manchmal nicht besonders bequeme Möbel, die schnell zu Liebhaberobjekten werden. Erste Kunden findet Klaus Seliger während einer Ausstellung in Hamburg. „Die Kunden dort hatten einen gesteigerten Bedarf an schrägen Möbelskulpturen“, sagt der Künstler. Die wirtschaftliche Grundlage ist gelegt. In einer Übergangsphase werden die Möbel Seligers schließlich jedoch immer langbeiniger. „Ich hatte eine Dreiergruppe langbeiniger Stühle, die man eher als eine Antilopenart ansehen konnte. Die wirkten, wenn man in den Raum kam, als würden sie erschreckt in die Ecke laufen. Das war dann der Weg zur Figur.“

Im Laufe der Zeit werden seine Skulpturen immer mystischer, erinnern mitunter an surrealistische Gemälde des spanischen Künstlers Salvador Dalí, wenn Seligers Stühle mit ihren giraffenlangen Beinen scheinbar durch die Welt zu staksen scheinen. Und überhaupt ist der Stuhl ein wichtiges Utensil, auf dem er seinen tierischen Skulpturen eine Bühne bereitet. „Ein Stuhl erzählt einerseits eine Geschichte, wird jedoch andererseits zur Absurdität, wenn dort kopulierende Hasenpärchen auf ihm sitzen“, sagt der Künstler verschmitzt lächelnd. Mit erklärenden Titeln indes hat es Seliger nicht so sehr. Ihm ist es wichtiger, was der Betrachter vor seinem eigenen geistigen Auge aus den Werken interpretiert. Es ist ja letzten Endes auch viel spannender, sich selbst eine Geschichte auf seine Tierskulpturen zusammenzureimen.

Tod und Verderben, Beginn des Lebens, Anfang und Ende – allein der schwarze Rabe, der gleich einem Voyeur auf einer Stuhllehne thront und eine Hasenhochzeit beobachtet, lässt viel gedanklichen Spielraum zu. Vor allem der Rabe und seine Kollegin, die Krähe, haben es dem Künstler angetan, sind ein wichtiges Motiv in seinem Schaffen. „Krähen sind mythologisch aufgeladen, als intelligent bekannt und in vielen Kulturen positiv und negativ besetzt. Das hat mir Spaß gemacht, die Persönlichkeit dieser Vögel zu untersuchen und herauszuarbeiten.“

Seine außergewöhnliche Reise auf seinem Holzweg vom Tischler zum renommierten Künstler zeigt, dass die Kunst des Holzbildhauens ebenso vielschichtig und unvorhersehbar sein kann, wie die Skulpturen selbst.

Atelier Seliger - Milter Mühle
Ostmilter Straße 27, 48231 Warendorf-Milte
Mobil: 0160 8562144
E-Mail: gestaltung@klausseliger.de
Internet: www.klausseliger.de
Instagram: @selig.er

Text und Fotos: Andreas Poschmann


Am Anfang steht ein Stein

 Die Bildhauerei ist eine schweißtreibende Kunst. Bernd Bergkemper liebt den künstlerischen Prozess. Inmitten tierischer Kunst steht eine Fender Stratocaster in der Ecke, links daneben ein schwarzer Verstärker. „Hier kann ich richtig Krach machen. Ich spiele zwar nicht schön, dafür aber laut“, sagt Bernd Bergkemper mit Blick auf die „Stromgitarre“ lachend. „Und beschwert hat sich bisher noch niemand.“ Der Langenberger liebt Hardrock der alten Schule, wie von den Rockbands „Led Zeppelin“ und AC/DC. Mit seichter Popmusik kann er nicht viel anfangen. Die Gitarre hingegen nimmt er gern zur Hand, wenn er nach einem anstrengenden und arbeitsreichen Tag ein wenig Zerstreuung und Entspannung sucht.

Dem Langenberger Künstler wurde seine Berufung der Steinbildhauerei bereits in die Wiege gelegt, als er 1957 das Licht der Welt erblickte. Denn bereits sein Vater Heinz (1925-2001) war ein Meister vor allem der sakralen Bildhauerkunst und zählt zu den wichtigsten Künstlern der Region. Eines seiner Werke – ein Relief – hängt im Warendorfer Kreishaus.

Schon früh übte sich der junge Bernd in der Werkstatt seines Vaters in ersten Tonmodellen. Sein Talent blieb da nicht lange unentdeckt, es sollte eine Lehre zum Holzmechaniker in Halle am Teutoburger Wald folgen. Der Wunsch, es seinem Vater gleichzutun und Bildhauer zu werden, der war zwar bereits vorhanden, doch vorher absolvierte Bernd Bergkemper sein Fachabitur an der Fachoberschule für Gestaltung (heute Adolph-Kolping-Berufskolleg) in Münster und studierte Kunsttherapie und Kunstpädagogik an der Fachhochschule in Ottersberg, „als Absicherung, falls es mit der Kunst mal nicht klappen sollte.“

Der noch junge Künstler wollte nicht einfach nur in die Fußstapfen seines Vaters treten, sondern hatte bereits eigene konkrete Ideen, Wünsche und Ziele. Das Studium lief für Bergkemper, so wie er sagt, „nebenbei ab“ und stellte für ihn keine wirkliche Herausforderung dar. Er hält es rückblickend für überflüssig. Denn seine Befürchtungen, dass er von seiner Kunst eventuell nicht würde leben können, sollten sich nicht bewahrheiten. Bereits in jungen Jahren trat er in den Kreiskunstverein Beckum-Warendorf ein, in dem er noch heute Mitglied ist. Seine erste Ausstellung im Museum Abtei Liesborn war nicht nur die Initialzündung, sondern brachte erstes Renommee und Aufträge rein. Zudem besaß ein Freund eine Galerie am Ku’damm in Berlin, in bester Lage im Dunstkreis schillernder Persönlichkeiten wie Starfriseur Udo Walz. „Das war der reine Wahnsinn. Da kamen Japaner und Amerikaner rein, die haben alles gekauft, was sie bekommen konnten“, erinnert sich Bergkemper an die Anfänge. „Von da an lief es fast wie von selbst.“

Noch heute gehen dem Künstler die Ideen nicht aus. Die bringt er zunächst als grobe Skizze aufs Papier – ob eine alte, ausgediente Tageszeitung, ein Stückchen Karton oder sonst ein bemalbares Material, ist ihm dabei relativ egal. Im Anschluss erstellt Bergkemper dann zunächst ein Tonmodell von seiner Idee.

Bergkempers bevorzugtes Material ist der sogenannte Diabas, ein Gestein vulkanischen Ursprungs, das er aus Hessen in geschnittenen Blöcken anliefern lässt. Der Stein hat eine ungewöhnlich hohe Dichte und gilt als besonders witterungsbeständig. Auch als Grünstein bekannt, wurde Diabas bereits in der Steinzeit zu Werkzeugen wie Klingen, Äxten oder Beilen verarbeitet. Da sich der Stein handwerklich gut verarbeiten lässt, wurden aus ihm früher auch gern Säulen, Denkmäler oder Grabsteine gefertigt. Er findet ebenso Verwendung im Straßenbau, ferner ist der polierte Diabas auch als der „Handschmeichler“ bekannt.

Sein größtes Kunstwerk ist ein lebensgroßes Nashorn, das im Eingang seiner Werkstatt Wache hält. Ein Gesteinsblock von 16 Tonnen, von dem nach der Bearbeitung schließlich nur sechs Tonnen übrigblieben, hat der Künstler so im Laufe eines Jahres zu einem imposanten und beeindruckenden Kunstwerk geformt. Auch kleinere Werke, wie eine Raubkatze, die ganz entspannt in seiner Galerie liegt, bringen aufgrund der hohen Dichte des Steins ein beachtliches Gewicht von 50 Kilogramm und mehr auf die Waage.

Bernd Bergkemper
Eichenstraße 28
33449 Langenberg
Telefon +49 (0) 52 48 433
Email: info@abstrakte-tierskulpturen.de
Internet: www.abstrakte-tierskulpturen.de

Text und Fotos: Andreas Poschmann