Mit der Kettensäge auf dem Holzweg

Stolz reckt sich die Milter Mühle gegen den stahl­blauen Himmel. Ein ruhiger Ort, mitten in einem kleinen Industriegebiet. Am Himmel kreisen ein paar Krähen. Fast scheint es, als würden sie ihre hölzernen Artgenossen beobachten, die es sich vor der heute flügellosen Mühle auf schrägen Sitzmöbeln gemütlich gemacht haben. Der Bielefelder Klaus Seliger hat vor bald vier Jahren hier seine künstlerische Heimat gefunden. Mit ihm eingezogen sind auch zahlreiche seiner skulpturalen Werke.

Wenn Klaus Seliger an seinen Kunstwerken arbeitet, dann fliegen im wahrsten Sinn des Wortes die Späne, kreischt die Kettensäge, die sich trotz ihres martialischen Auftritts filigran durch riesige Baumstämme fräst. Dann ist es mit der Ruhe im beschaulichen Warendorfer Stadtteil vorbei. Schaut man sich die Kunstwerke, die bei solchen Sägeattacken entstehen, schließlich an, bekommt die Redewendung „aus besonderem Holz geschnitzt sein“ eine ganz neue Bedeutung.

Klaus Seliger, im Februar 1962 in Paderborn geboren, hat zunächst andere berufliche Pläne. Er studiert visuelle Kommunikation und Grafikdesign an der Fachhochschule Bielefeld. „Das war aber nicht mehr meins, als die ersten Computer aufkamen.“ In einer Tischlerausbildung sieht er eine Chance, seinem handwerklichen Schaffensdrang besser nachgehen zu können. Im Laufe der Zeit bemerkt er jedoch, dass ihn die Vorgaben im Tischlerhandwerk und insbesondere im Möbelbau in ein zu enges Korsett zwängen.

Unzufrieden mit dem starren Angestelltendasein kommt die Initialzündung vor 20 Jahren. Seliger entdeckt im Überseemuseum in Bremen die Werke des israelischen Künstlers Natanel Gluska. Fasziniert ist Seliger vor allem von einem barocken Sessel, den Gluska aus einem Stück Ulmenholz geschnitzt hat. „Der Sessel ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Da ich keine Kamera dabeihatte, habe ich das Ding einfach abgezeichnet. Es hat erst Jahre später gezündet, als ich unzufrieden war mit meinem Job. Durch eine Gärtnerkollegin bekam ich die erste Kettensäge in die Hand.“

Inspiriert von seinem Vorbild Gluska entstehen erste künstlerische Skulpturen, schräge, manchmal nicht besonders bequeme Möbel, die schnell zu Liebhaberobjekten werden. Erste Kunden findet Klaus Seliger während einer Ausstellung in Hamburg. „Die Kunden dort hatten einen gesteigerten Bedarf an schrägen Möbelskulpturen“, sagt der Künstler. Die wirtschaftliche Grundlage ist gelegt. In einer Übergangsphase werden die Möbel Seligers schließlich jedoch immer langbeiniger. „Ich hatte eine Dreiergruppe langbeiniger Stühle, die man eher als eine Antilopenart ansehen konnte. Die wirkten, wenn man in den Raum kam, als würden sie erschreckt in die Ecke laufen. Das war dann der Weg zur Figur.“

Im Laufe der Zeit werden seine Skulpturen immer mystischer, erinnern mitunter an surrealistische Gemälde des spanischen Künstlers Salvador Dalí, wenn Seligers Stühle mit ihren giraffenlangen Beinen scheinbar durch die Welt zu staksen scheinen. Und überhaupt ist der Stuhl ein wichtiges Utensil, auf dem er seinen tierischen Skulpturen eine Bühne bereitet. „Ein Stuhl erzählt einerseits eine Geschichte, wird jedoch andererseits zur Absurdität, wenn dort kopulierende Hasenpärchen auf ihm sitzen“, sagt der Künstler verschmitzt lächelnd. Mit erklärenden Titeln indes hat es Seliger nicht so sehr. Ihm ist es wichtiger, was der Betrachter vor seinem eigenen geistigen Auge aus den Werken interpretiert. Es ist ja letzten Endes auch viel spannender, sich selbst eine Geschichte auf seine Tierskulpturen zusammenzureimen.

Tod und Verderben, Beginn des Lebens, Anfang und Ende – allein der schwarze Rabe, der gleich einem Voyeur auf einer Stuhllehne thront und eine Hasenhochzeit beobachtet, lässt viel gedanklichen Spielraum zu. Vor allem der Rabe und seine Kollegin, die Krähe, haben es dem Künstler angetan, sind ein wichtiges Motiv in seinem Schaffen. „Krähen sind mythologisch aufgeladen, als intelligent bekannt und in vielen Kulturen positiv und negativ besetzt. Das hat mir Spaß gemacht, die Persönlichkeit dieser Vögel zu untersuchen und herauszuarbeiten.“

Seine außergewöhnliche Reise auf seinem Holzweg vom Tischler zum renommierten Künstler zeigt, dass die Kunst des Holzbildhauens ebenso vielschichtig und unvorhersehbar sein kann, wie die Skulpturen selbst.

Atelier Seliger - Milter Mühle
Ostmilter Straße 27, 48231 Warendorf-Milte
Mobil: 0160 856244
E-Mail: gestaltung@klausseliger.de
Internet: www.klausseliger.de
Instagram: @selig.er

Text und Fotos: Andreas Poschmann


Am Anfang steht ein Stein

 Die Bildhauerei ist eine schweißtreibende Kunst. Bernd Bergkemper liebt den künstlerischen Prozess. Inmitten tierischer Kunst steht eine Fender Stratocaster in der Ecke, links daneben ein schwarzer Verstärker. „Hier kann ich richtig Krach machen. Ich spiele zwar nicht schön, dafür aber laut“, sagt Bernd Bergkemper mit Blick auf die „Stromgitarre“ lachend. „Und beschwert hat sich bisher noch niemand.“ Der Langenberger liebt Hardrock der alten Schule, wie von den Rockbands „Led Zeppelin“ und AC/DC. Mit seichter Popmusik kann er nicht viel anfangen. Die Gitarre hingegen nimmt er gern zur Hand, wenn er nach einem anstrengenden und arbeitsreichen Tag ein wenig Zerstreuung und Entspannung sucht.

Dem Langenberger Künstler wurde seine Berufung der Steinbildhauerei bereits in die Wiege gelegt, als er 1957 das Licht der Welt erblickte. Denn bereits sein Vater Heinz (1925-2001) war ein Meister vor allem der sakralen Bildhauerkunst und zählt zu den wichtigsten Künstlern der Region. Eines seiner Werke – ein Relief – hängt im Warendorfer Kreishaus.

Schon früh übte sich der junge Bernd in der Werkstatt seines Vaters in ersten Tonmodellen. Sein Talent blieb da nicht lange unentdeckt, es sollte eine Lehre zum Holzmechaniker in Halle am Teutoburger Wald folgen. Der Wunsch, es seinem Vater gleichzutun und Bildhauer zu werden, der war zwar bereits vorhanden, doch vorher absolvierte Bernd Bergkemper sein Fachabitur an der Fachoberschule für Gestaltung (heute Adolph-Kolping-Berufskolleg) in Münster und studierte Kunsttherapie und Kunstpädagogik an der Fachhochschule in Ottersberg, „als Absicherung, falls es mit der Kunst mal nicht klappen sollte.“

Der noch junge Künstler wollte nicht einfach nur in die Fußstapfen seines Vaters treten, sondern hatte bereits eigene konkrete Ideen, Wünsche und Ziele. Das Studium lief für Bergkemper, so wie er sagt, „nebenbei ab“ und stellte für ihn keine wirkliche Herausforderung dar. Er hält es rückblickend für überflüssig. Denn seine Befürchtungen, dass er von seiner Kunst eventuell nicht würde leben können, sollten sich nicht bewahrheiten. Bereits in jungen Jahren trat er in den Kreiskunstverein Beckum-Warendorf ein, in dem er noch heute Mitglied ist. Seine erste Ausstellung im Museum Abtei Liesborn war nicht nur die Initialzündung, sondern brachte erstes Renommee und Aufträge rein. Zudem besaß ein Freund eine Galerie am Ku’damm in Berlin, in bester Lage im Dunstkreis schillernder Persönlichkeiten wie Starfriseur Udo Walz. „Das war der reine Wahnsinn. Da kamen Japaner und Amerikaner rein, die haben alles gekauft, was sie bekommen konnten“, erinnert sich Bergkemper an die Anfänge. „Von da an lief es fast wie von selbst.“

Noch heute gehen dem Künstler die Ideen nicht aus. Die bringt er zunächst als grobe Skizze aufs Papier – ob eine alte, ausgediente Tageszeitung, ein Stückchen Karton oder sonst ein bemalbares Material, ist ihm dabei relativ egal. Im Anschluss erstellt Bergkemper dann zunächst ein Tonmodell von seiner Idee.

Bergkempers bevorzugtes Material ist der sogenannte Diabas, ein Gestein vulkanischen Ursprungs, das er aus Hessen in geschnittenen Blöcken anliefern lässt. Der Stein hat eine ungewöhnlich hohe Dichte und gilt als besonders witterungsbeständig. Auch als Grünstein bekannt, wurde Diabas bereits in der Steinzeit zu Werkzeugen wie Klingen, Äxten oder Beilen verarbeitet. Da sich der Stein handwerklich gut verarbeiten lässt, wurden aus ihm früher auch gern Säulen, Denkmäler oder Grabsteine gefertigt. Er findet ebenso Verwendung im Straßenbau, ferner ist der polierte Diabas auch als der „Handschmeichler“ bekannt.

Sein größtes Kunstwerk ist ein lebensgroßes Nashorn, das im Eingang seiner Werkstatt Wache hält. Ein Gesteinsblock von 16 Tonnen, von dem nach der Bearbeitung schließlich nur sechs Tonnen übrigblieben, hat der Künstler so im Laufe eines Jahres zu einem imposanten und beeindruckenden Kunstwerk geformt. Auch kleinere Werke, wie eine Raubkatze, die ganz entspannt in seiner Galerie liegt, bringen aufgrund der hohen Dichte des Steins ein beachtliches Gewicht von 50 Kilogramm und mehr auf die Waage.

Bernd Bergkemper
Eichenstraße 28
33449 Langenberg
Telefon +49 (0) 52 48 433
Email: info@abstrakte-tierskulpturen.de
Internet: www.abstrakte-tierskulpturen.de

Text und Fotos: Andreas Poschmann


Kunst, Blaupause der Natur

Das Tier im Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens. Wir stellen kreative Köpfe vor: Friedel Kreuzberg.

Er ist gelernter Maschinenbauer, war Soldat, Extremkletterer, Bergretter und Drachenpilot. Friedrich „Friedel“ Kreuzberg hat die Welt bereist, machte Station in Ostafrika und Kanada und lebte dort unter Indianern und Inuit. Trotz seiner vielseitigen Interessen und eines bewegten Lebens, hat er sich eines immer bewahrt: die Liebe zur Natur. „Natur ist für mich eine Religion“, sagt Kreuzberg.

Wildschweine, Dachse, Dackel und Fasane – es sind vor allem Tiermotive, die es dem Künstler angetan haben. Eindrucksvoll und mit unglaublich feinem Pinselstrich gibt Kreuzberg seine erlebten Motivwelten, die ihn unter anderem auf seinen Reisen nach Kanada beeindruckten, fotorealistisch wieder.

1942 in Düsseldorf-Eller geboren, interessierte sich der Maler, Grafiker und Bildhauer bereits im zarten Alter von sechs Jahren für die Natur und die Malerei. Immer wieder zog es ihn zu einer Galerie in der Rheinmetropole, in der Naturdarstellungen ausgestellt waren. Schließlich besorgte sich Friedrich Kreuzberg ausrangierte Tapetenbücher, deren Rückseite er als Zeichenblatt nutzte. „Die ersten Buntstifte hat meine Mutter auf dem Schwarzmarkt für mich besorgt.“ Als Teenager verdiente er sich sein Material dann selbst – als Radschläger auf der Düsseldorfer „Kö“.

Das ist jetzt alles mehr als 30 nationale und internationale Ausstellungen her. Auch wenn sich Kreuzberg immer noch ganz bescheiden „Hobbymaler“ nennt, so ist er dennoch in der Kunstszene kein Unbekannter. Er ist Kind der ersten Stunde der mittlerweile aufgelösten Ahlener „Künstlergruppe 94“ und Mitbegründer des Kunstfördervereins „Pit-Weber-Stiftung“ in Oelde. Durch seinen damaligen Mentor und Lehrer Professor Alexander Kwiatkowski fand Friedrich Kreuzberg seinen Weg in den Fotorealismus.

Als Künstler und vor allem Ästhet alter Schule lässt sich Friedel Kreuzberg hingegen nicht gern in eine Schublade stecken. „Wenn ich Lust auf Farbe habe, dann greife ich eben in den Farbeimer.“ Neben der Malerei fertigt Kreuzberg, immer auf der Suche nach der ästhetischen Form, Zeichnungen, Radierungen und auch Plastiken an. Mit seinen Werken will er den Betrachter auf die Schönheit der Natur aufmerksam machen, ihn aber auch kritisch auf ihre Zerstörung hinweisen. „Im Grunde genommen bin ich durch und durch ein Grüner.“ Seine Werke scheinen auf den ersten Blick harmonisch, greifen jedoch nicht selten aktuell brisante Themen auf: die Zerstörung der Natur.

Immer wieder arbeitet Kreuzberg – häufig auf den ersten Blick nicht sichtbar – große und kleine Fundstücke in seine Bilder ein. Und so brachte eines Tages ein „Seesack voller Steine und sonstigem Krempel“ den Künstler arg ins Schwitzen. Nicht etwa, weil er schwer daran zu tragen gehabt hätte. Vielmehr verunsicherte ihn eine jamaikanische Zollbeamtin, die ihn mit unbequemen Fragen löcherte. So wollte diese unter anderem wissen, was er denn mit Federn, Knochen, Holzstücken oder eben besagten Steinen so alles anstellen wolle. Mit seinen Antworten schien die Zöllnerin zufrieden zu sein, denn sie ließ ihn schließlich mitsamt seinem kuriosen Gepäck unbehelligt von dannen ziehen. Doch nicht nur Fundstücke aus der Natur finden sich in den Kreuzbergwerken wieder.

„Als Künstler hat man ja viel Korrespondenz.“ Kein Wunder also, dass der Maler auch Postmarken für sich entdeckt hat. „Jede Briefmarke hat ja eine Vita. Sie überbringt gute wie auch schlechte Nachrichten“, wird Kreuzberg philosophisch. Besonders Marken von Leuchttürmen haben es ihm angetan, aus denen er neue Werke komponiert. „Das hat für mich einen gewissen Erholungswert, da die Bilder insgesamt kleiner sind“, sagt der junggebliebene 80-Jährige.

Zum regelrechten Kulturtreffpunkt ist sein Atelier an der Oststraße in Warendorf geworden. Über vier Etagen finden sich dort Collagen, Skizzen, großformatige Gemälde von Tieren, Pflanzen und Landschaften, Federzeichnungen, Skulpturen und dergleichen mehr. Gerne empfängt der Maler und Grafiker hier seine Gäste und zeigt seine Werke, dank bester Vernetzung, einem internationalen Publikum, dass unter anderem aus Frankreich, Irland oder den Niederlanden anreist. Gerne wird dann auch mal der Tisch mitten auf der Straße, direkt vor seinem Domizil aufgebaut. Bei einem Gläschen Rotwein und Kerzenschein in den Abendstunden lässt es sich dort vortrefflich über Kunst austauschen. Und wenn es mal frisch ums Näschen wird? „Dann trinken wir ein Gläschen Rotwein mehr“, lacht der Künstler.

Friedrich Kreuzberg
Oststraße 29 in Warendorf
Mobil: 0171 6509821
E-Mail: friedrichkreuzberg@gmx.de
Internet: kreuzbergkunst-de.jimdofree.com

Text und Fotos: Andreas Poschmann